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Kirchenstatistik 2022

Zugehen auf Mitglieder bleibt Herausforderung

Tauffest in Linderhohl /Westerwald

Tauffest im Schwimmbad Linderhohl /Westerwald

Die katholische Kirche hat ihre aktuellen Mitgliederzahlen für das Jahr 2022 veröffentlicht. Wie sieht es in der evangelischen Kirche und in Hessen-Nassau aus? Und was tut sie für ihre Mitglieder und alle, die es werden wollen?

Nachdem die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bereits im März ihre Mitgliedschaftsstatistik für 2022 veröffentlicht hat, zieht jetzt auch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit den Zahlen für die katholischen Bistümer nach. Klar bleibt: Austritte bleiben in allen christlichen Volkskirchen eine gewaltige Herausforderung. So traten in Deutschland 2022 über eine halbe Millionen (2021: 359.000) Katholiken aus der katholischen Kirche aus. Sie hat damit aktuell knapp 21 Millionen Mitglieder. Rund 380.000 Evangelische kehrten 2022 (2021: 280.000) der evangelischen Kirche den Rücken. Sie hat jetzt in Deutschland rund 19,5 Millionen Mitglieder. Das sind in der evangangelischen Kirche knapp drei Prozent weniger als im Vorjahr. Ursachen für den Rückgang  in der evangelischen Kirche waren neben den Austritten auch die hohe Zahl von 365.000 Sterbefällen (2021: 360.000).  

Hessen-Nassau folgt den Trends

Dieser Trend spiegelt sich auch in den  statistischen Zahlen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) wider. Demnach zählte die EKHN zum Stichtag 31. Dezember 2022 rund 1,36 Millionen Mitglieder. Das sind etwa drei Prozent weniger als im Vorjahr. Hier hat unter anderem eine anhaltend hohe Sterberate mit gut 25.000 Verstorbenen (2021: 24.000) aufgrund der demographischen Entwicklung neben den Austritten Folgen.   

 

Austritte haben viele Ursachen

Die Zahl der Austritte belief sich in Hessen-Nassau auf rund 30.000. Erstmals liegen damit die Austrittszahlen über der Anzahl der Verstorbenen. Die Kirchenaustritte stiegen damit gegenüber dem Vorjahr um 6000 an. Die Zunahme um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum hat ganz verschiedene Ursachen. Die aktuell weiter angespannte Konjunkturlage lässt vermehrt Menschen über einen Kirchenaustritt aus finanziellen Gründen nachdenken. Hinzu kommt ein Nachholeffekt bei den Austritten nach der Coronazeit bei geschlossenen Bürgerbüros. Schließlich werden von Ausgetretenen vereinzelt auch politische Positionen der Kirchen kritisiert wie etwa das Eintreten für Geflüchtete oder den Klimaschutz. Das Thema Missbrauch spielt – anders als in der katholischen Kirche -  soziologischen Untersuchungen zufolge eine untergeordnete Rolle. 

Lichtblick Taufen in Hessen-Nassau

Ein Lichtblick sind dagegen die Taufen in der EKHN: Sie erreichen mit über 11.300 fast wieder die Zahlen von vor der Pandemie (2019: 11.500, 2020: 5.700, 2021: 8.600). Auch die Kircheneintritte bewegen sich mit 1.700 langsam wieder aufwärts (2019: 2.800, 2020: 2000, 2021: 1.600,). In diesem Jahr beteiligen sich viele Gemeinden zudem an der bundesweiten Aktion „#DeineTaufe“. Hier soll es unter anderem Eltern, die während der Pandemie keine Gelegenheit hatten ihr Kind taufen zu lassen, nun ganz leicht gemacht werden. Zuletzt gab es im Juni allein in der EKHN mindestens 200 Aktionen wie große Tauffeste oder Tauf-Erinnerungsfeiern. Die genauen statistischen Zahlen für das vergangene Jahr - auch für die Regionen - werden Ende Juli 2023 vorliegen.

Mitgliederfrage bleibt Herausforderung 

Unabhängig von den Zahlen bleibt die Mitgliederfrage ganz oben auf der Liste der kirchlichen Zukunftsthemen. Denn Studien belegen: Ein Kirchenaustritt ist keine spontane Entscheidung, die vom Himmel fällt, sondern das Ergebnis eines längeren Prozesses. Am Anfang steht oft eine fehlende religiöse Sozialisation in der Familie. Dabei kristallisiert sich in der Folge eine persönlich empfundene Irrelevanz von Religion im täglichen Leben heraus. Hinzu tritt durch die mangelnde Bindung an die Institution Kirche dann eine „Kosten-Nutzen-Rechnung“. Unter dem Strich steht dann am Ende oft die Entscheidung, sich die Kirchensteuer zu sparen und aus der evangelischen Kirche auszutreten. Was das konkret heißt, verdeutlichen die nun vorgelegten statistischen Zahlen. 

Kipp-Punkt in der Kirchenmitgliedschaft

Insgesamt wird aber deutlich, dass sich der seit fünf Jahrzehnten anhaltende Trend einer abnehmenden Bindung an die Kirche nun mit Macht in der Statistik niederschlägt. Tatsächlich haben sich die Austrittszahlen bezogen auf das Basisjahr 2020 fast verdreifacht. Der Soziologe Detef Pollack spricht von einem Kipp-Punkt in den Kirchen: Der Austritt droht vom Ausnahmefall nun immer öfter zum Normalfall zu werden.

Reformprojekte und Jugendkirchentag

Die hessen-nassauische Kirche hat angesichts des gesellschaftlichen Wandels bereits 2018 den umfassenden Reformprozess „ekhn2030“ eingeleitet. Er will unter anderem auch die Lebenswelt Jüngerer und junger Erwachsener noch stärker in den Blick nehmen. Als einzige evangelische Landeskirche Deutschlands veranstaltet die EKHN beispielsweise schon jetzt alle zwei Jahre einen speziellen Jugendkirchentag für bis zu 4000 Teilnehmende. 

Kirchenpräsident: Überzeugend leben, was wir glauben 

Nach Worten von Hessen-Nassaus Kirchenpräsident Volker Jung hängt die Ausstrahlungskraft von Kirche indessen nicht allein an der Zahl der Mitglieder, die ihr formal angehören.  „Als Kirche werden wir wahrgenommen, wenn wir überzeugend das leben, was wir glauben“, sagte er bei der Veröffentlichung der ersten EKHN-Hochrechung für das Jahr 2022 im Frühjahr. Zur Wahrheit gehöre aber ebenso, dass über die Austrittszahlen nicht einfach hinweggesehen werden dürfe, so Jung. „Jeder Austritt tut weh. Wir möchten gerne auch in Zukunft für die einzelnen Menschen und die Gesellschaft da sein.“ Sinkende Mitgliederzahlen infolge von „Megatrends, denen man sich mit noch so guter Arbeit nur schwer entgegenstellen kann“ bleiben nach Ansicht Jungs zudem auch für die Mitarbeitenden in der Kirche eine Belastung. Die EKHN stelle sich den vielen Herausforderungen mit dem umfassenden Reformprojekt „ekhn2030“.  Ziel ist es dabei unter anderem, noch erkennbarer mitglieder- und gemeinwesenorientiert zu arbeiten. Der Kirchenpräsident sieht in der geplanten Initiative „#DeineTaufe“ ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Jung: „Eine Taufe berührt Menschen besonders. Sie ist die Zusage, dass Gott einem Menschen unauflöslich verbunden bleibt. Das kann gerade in unsicheren Zeiten wie jetzt trösten und stärken.“

Link-Tipps

EKD-Austrittsstudie (2022): 
www.ekd.de/studie-kirchenaustritte

Statistische Zahlen der EKHN (Jahr 2021)
https://www.ekhn.de/ueber-uns/daten-fakten.html

Statistische Zahlen zur EKD:
https://www.ekd.de/statistik

Mehr zum Thema Taufe:
www.ekhn.de/taufe

Daten und Fakten

Jahresberichte der EKHN

 

 


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